Fauntleroy - Unterwegs
Das Wetter bessert sich langsam. Zeit, wieder nach Draussen zu gehen.
Seit ich wieder ländlich wohne gewöhne ich mich nur langsam an die geballte Natur. In der Stadt lebt es sich definitiv sicherer.
Nicht nur das Sirenengeheul, auch die durchgehende Asphaltierung fehlen mir ein bisschen. Ersteres gibt einem ein Gefühl von Sicherheit, weiss ich doch:
Da draussen ist jemand!
Zweiteres: Hier hat's wenig Beton, dafür viele Zecken! Die lauern hier überall, wenn ich den Zeitungen glauben soll.
Das tödlichste Tier der Alpen - vor meiner Haustür! Und keine Sirenen in der Luft!
Dennoch: Die Vorteile überwiegen. Nur schon das Brot hat eine ganz andere Qualität. Im Gegensatz zu den Gross-Bäckereien, kann hier ein Handarbeiter das Brot noch genauso lange im Ofen lassen, damit ich's gerne hab.
Kommt hinzu, dass mich die Verkäuferin im Dorflädeli bereits kennt und weiss, was ich will. Sie sagt dann immer: "Der Typ mit den Hosenträgern", wie sie mich liebevoll beschreibt, "will sein verbranntes Brot abholen".
Schön, oder?
Vor allem zu der Jahreszeit. Zwischen April und Juni kann ich gefahrlos mehr als 20 Minuten im Sonnenlicht stehen. Mit Eincremen sogar über 40 Minuten! Dumm gelaufen, Ozonloch!
So laufe ich ohne Sonnenschutz zwischen den normalen Leuten herum.
Bin ich mit dem Gast-Hund unterwegs, reicht es auch für längere Strecken im Grünen. Dann immer in der Mitte der Wege, weil auf den Grashalmen am unbefestigten Strassenrand bekanntlich die Zecken hocken. Den Hund scheint das nicht zu kümmern.
Darum muss ich ihn nach dem Spazieren auch immer eine halbe Stunde nach den lästigen Viechern absuchen. Was würde der dumme Hund nur ohne mich machen?
Ist er nicht herzig?
Bankrettung
Jedenfalls lauf ich heute die Hundestrecke und lege auf einer Sitzbank eine Pause ein. In's Holz geritzt, steht darauf "dem Alois sis Bänkli".
Von Alois allerdings keine Spur.
Wie ich da also so sitze, sehe ich, wie ein einzelnes Samenkorn ganz nah beim Gullideckel vor mir auf der Strasse liegt. Der Regen hat es wohl dahin gespült. Schätze, seine ganze Verwandtschaft ist bereits im Gulli gelandet.
Was für ein grausames Schicksal...
Ein leichter Schauer fährt meinen Rücken hoch - da beschliesse ich, einzugreifen.
Hab das Samenkorn jetzt mit nach Hause genommen und google was es sein könnte. Viele Pflanzen kommen in Frage. Der Plan, ihn in eine Wiese zu werfen, wo bereits seine Verwandten wohnen, erschwert sich damit. Wäre ja voll fies, einen Mohnblumensamen in eine Margeritenwiese zu schmeissen.
Bio-Mobbing!
Schade kenn ich keinen Samologen, der wüsste, was das ist.
So werde ich ihn wohl selber aufziehen müssen.
Ich glaub, ich nenn ihn Alois.