Es sind zwar nicht grad Wahlen, und doch bin ich wieder über die mehr als 700jährige Frage gestolpert, wie man denn jetzt Eidgenosse wird.
Während einige sich dies sehnlichst wünschen, behaupten andere, das sei heute gar nicht mehr möglich.
Also Zeit, Licht in's Dunkel zu bringen!
Wie wird man Eidgenosse:
Schwören Sie mit Jemandem einen Eid.
Das war's schon. Ob es sich dabei um einen Eid handelt, nur noch in der Migros einzukaufen, seine Katze nicht impfen zu lassen oder nett zur Schwiegermutter zu sein ist dabei völlig unerheblich.
Wichtig dabei ist lediglich, dass Sie das nicht alleine tun. Ein Genosse ohne Genosse ist kein Genosse.
Wie wird man Schweizer Eidgenosse:
Das ist schon kniffliger.
Der offizielle Eid der Schweizer Eidgenossenschaft lautet gemäss Schiller wie folgt:
Wir wollen sein ein einzig Volk von Brüdern,
in keiner Not uns trennen und Gefahr.
Wir wollen frei sein, wie die Väter waren,
eher den Tod, als in der Knechtschaft leben.
Wir wollen trauen auf den höchsten Gott
und uns nicht fürchten vor der Macht der Menschen.
Auf den heutigen Zeitgeist angepasst, sollte man im Falle eines Schwures aber die Sätze:
Wir wollen sein ein einzig Volk von Brüdern, mit Schwestern, ergänzen
und
Wir wollen frei sein, wie die Väter waren, mit Müttern.
Im historischen Kontext ist ein alleiniges Verwenden der männlichen Form jedoch zulässig.
Diesen Eid müssen Sie laut aufsagen (muss nicht auf einer Wiese sein), während Sie einen Arm in die Höhe halten und drei Finger abspreizen (damals konnten viele Leute nur bis drei zählen).
Der erste Schritt: Die Entscheidung
Richtig, Sie müssen sich zuerst entscheiden!
Einerseits, ob Sie den Text als solchen meinen oder die Werte, die damit verkörpert werden.
Nehmen Sie Schiller also wörtlich, hiesse das:
Wir wollen sein ein einzig Volk von Brüdern und Schwestern,
in keiner Not uns trennen und Gefahr.
Jeder Mitbürger ist als Familienmitglied zu behandeln. Variationen im Umgang bewegen sich einfachheitshalber zwischen Stufe "engstes
Famlienmitglied", über "nervige Schwester" bis "ungeliebter Onkel". Hier wird von einem respektvollen Umgang mit Familienmitgliedern ausgegangen. Das galt früher als
erstrebenswert.
Wir wollen frei sein, wie die Väter waren,
eher den Tod, als in der Knechtschaft leben.
Nun, grundsätzlich müssten Sie nun entweder an die Zeit der römischen Besatzung, die napoleonische Herrschaft oder die des heutigen amerikanischen Kapitalismus denken und schlussendlich... Selbstmord begehen. Verstehen Sie diesen Teil des Eides deshalb besser prosaisch.
Den Begriff "Freiheit" etwas weiter auszulegen, kann hier ebenfalls helfen.
Wir wollen trauen auf den höchsten Gott
und nicht fürchten vor der Macht der Menschen.
Das ist einfach! Da nicht genannt wird, welcher Gott der Höchste ist (und bis heute in dieser Frage Unklarheit herrscht), ist dies als klares Bekenntnis zur freien Glaubensausübung zu verstehen. Als Schweizer müssen Sie sich zudem nicht fürchten, da Sie über Alles abstimmen können.
Wie gesagt, das war die wörtliche Bedeutung des Eides.
Wenn Sie jedoch nicht jeden Mitbürger als mehr oder weniger enges Familienmitglied behandeln wollen, gibt es noch die "überlieferte" Anwendung.
Sprich, Sie bekennen sich zu den offiziellen Werten der Schweiz.
Gleichberechtigung der Frauen, Medienvielfalt, das Recht zur Meinungsäusserung... solche Sachen. Dazu gehört jedoch auch Militärdienst, Steuern zahlen und sich zumindest etwas in der Gemeinschaft engagieren.
Klar, das müssen Sie nicht tun oder gar gut finden. Es sei denn, Sie wollen eben Schweizer Eidgenosse werden.
Das Schöne am Schweizer Eid ist nämlich die Tatsache, dass er freiwillig und für jeden durchführbar ist.
In das von Erdogan propagierte Türkentum kommen Sie beispielsweise nur rein, wenn Sie Türke sind.
Genauer gesagt, ihr Vater.
Genauso erhalten Sie niemals einen Ariernachweis für eine NPD-Mitgliedschaft, wenn ihr Vater aus Pristina stammt.
Um ein Eidgenosse zu sein, müssen Sie sich nur aufrichtig zu oben genannten Werten bekennen und schwupp... sind Sie ein Eidgenosse.
Um das Ganze etwas plakativer an einem Beispiel festzumachen:
Wenn ein eingebürgerter Secondo aus Kamerun den Eid leistet und dann, sagen wir im Kriegsfall, an Ihrer Seite kämpft und hilft, Ihre Lebensweise zu verteidigen, ist er kein Papierlischwiizer mehr - dann ist er Ihr Bruder.
Umgekehrt ist er kein Eidgenosse, wenn er im Kriegsfall nach Österreich abhaut. Wenn man einen Eid bricht, ist man kein Eidgenosse mehr - etwa so wie Jamie Lannister.
So einfach ist das.
Man könnte einwenden, dass in der Schweiz auch nicht alles perfekt sei, von wegen erstrebenswert und so... All dieser Filz, Lohnungleichheit, Armut, Kriminalität.
Bedenken Sie jedoch, dass auch die Schweiz nur von Menschen gesteuert wird. Im internationalen Vergleich sind die Schweizer immer noch Weltspitze und stehen auch am dunkelsten Tag auf der globalen Sonnenseite des Lebens - relativ gesehen.
Ist man von Geburt an Eidgenosse?
Nein! Wenn Ihr Urgrossvater einen Eid auf Hitler abgelegt hat, heisst das ja nicht, dass Sie diesem genauso folgen müssen.
Das heisst natürlich auch, dass alteingesessene Schweizer Familien keinen Anspruch auf das Prädikat "Eidgenossen" haben.
Zudem ist stark anzuzweifeln, dass alle, die sich nur aufgrund ihrer Abstammung als Eidgenosse bezeichnen, den Eid wirklich jemals geleistet haben. ... oder den Text kennen.
Merke: Die Eidgenossenschaft ist kein vererblicher Adelstitel! Sie ist eine immer wieder zu beweisende Überzeugung!
So, wenn Sie das alles bedacht und hinter sich gebracht haben, gratuliere ich Ihnen:
Sie sind jetzt Eidgenosse!