Der Meister hat Recht!
Nachdem ich nun einige Nächte darüber nachgedacht habe, denke ich zu wissen, was er damit gemeint hat.
Zeit und Ort... mhm...
Die Schweiz - hört sich erst mal nicht danach an, als ob man von hier aus auch nur Etwas ändern könnte - und dann gleich die ganze Welt?
Wobei...
Was würde ich ändern, wenn ich es könnte?
Eigentlich reichte es mir, wenn meine Welt wieder so wäre, wie sie früher war - oder so, wie ich sie in Erinnerung behalten habe.
Natürlich ist heute das Meiste besser als früher - doch es fehlt irgendwie die Freude daran.
Die Freude von Einst, als Sehnsucht für Morgen.
Meine alte Welt
Ahhh, früher...
Meine Welt bestand damals aus den Gewissheit, dass wir Schweizer als vertrauenswürdig gelten. Immerhin lebten wir die direkte Demokratie, verhielten uns strikt neutral und halfen den Armen und
Schwachen. Vom Stolz auf Schokolade, Uhren oder "unsere" Banken ganz zu schweigen.
Man könnte auch sagen, wir waren besser als die Anderen.
Von Waffenlieferungen an Südafrika, dem Filz in der Gemeindeverwaltung und dem Umstand, dass der Sportlehrer meiner Cousine nachschielte, wusste ich da noch nichts.
Wozu auch - ich war ein Kind - auch noch mit zwölf!
Heute gilt man kurz nach zehn bereits als verklemmt, wenn man nicht schon Sackhaare und drei Exfreundinnen vorweisen kann. Doch selbst das könnte man noch auf die Hormone im Trinkwasser schieben.
Den ganzen Rest hingegen nicht.
Und dennoch: Ich erlebe eine glückliche Kindheit!
Das spielen auf der Wiese und im Wald (damals galten Zecken noch nicht als gefährlich), das Spielen unter der Sonne (komischerweise durfte man da länger als 20 Minuten draussen bleiben),
ungiftige Spielzeuge (soweit bekannt), Erwachsene durften mit uns reden ohne Strafanzeige und der Pfarrer... ja der Pfarrer war tatsächlich ein Mann Gottes.
Und ja... Gott war nett, wachte er doch über mich.
Dachte ich zumindest.
Meine neue Welt
Mit den Jahren und unter stetig wachsendem Grausen bekam der Glanz jedoch bald seine ersten Risse.
Das abermals schimmernde Gold blätterte ab und zum Vorschein kam schädlicher Asbest.
Raubgold! Börsenparty! Verdingkinder! Waffengeschäfte! ... und mehr Filz und nochmals Filz.
Die Erkenntnis, dass ich in erster Linie Konsument und erst danach Schweizer war, erscheint im Nachhinein nur logisch.
Irgendwann bemerkte ich auch, dass der Arzt gar nicht so daran interessiert ist, mich gesund zu machen. Hauptsache, ich nahm die von der Industrie gesponserten Medikamente.
Immerhin - auch das rettet Arbeitsplätze.
Doch was ist aus den Zielen im Leben geworden?
Damals galt es noch als ehrenwert, pflichtbewusst und ordentlich seine Arbeit zu machen - jahrelang - jahrzehntelang - damit man im Alter einen gemütlichen Lebensabend verbringen kann.
Doch heute schuftet jeder bis er nicht mehr kann, nur damit ihm anschliessend die Bank seine Hütte pfändet - irgendwie müssen die Pflegekosten im Heim ja bezahlt werden.
Nur... wozu das Alles?
Sie sind abhanden gekommen - die hehren Ziele von einst.
Geblieben ist nur eine leere Hülle. Ein Versprechen, dass nicht eingehalten werden kann.
Am Ende bleibt nur das Vergessen - in einem Altenheim, wo die Angestellten kosteneffiziente zwölf Minuten pro Bewohner für die Pflege zur Verfügung haben.
Dahinvegetieren bis das Ende kommt.
Andererseits, viele müssen dazu nicht einmal in's Pflegeheim.
Dahinvegetieren geht auch zu Hause vor der Glotze - mit all dem Mist, der uns tagtäglich vorgesetzt wird.
Das kann es doch nicht gewesen sein!
Ist es auch nicht - das weiss ich jetzt.
Wie das geht... Geduld.
Das wird eine Überraschung... hehe...
He da hinten! Nummer Neun schon gefüttert?
Äh... ja! Äh... gleich... Meister!
... hehe...